Mißtrauen kommt nie zu früh,
aber oft zu spät.
(Johann Gottfried Seume)
PCB in unseren Hühnereiern ...
Die Untersuchung von Hühnereiern als Indikator für PCDD/PCDF und PCB ist seit mehr als zwei Jahrzehnten üblich und wird weltweit eingesetzt, um mögliche Belastungen von Standorten und Menschen herauszufinden. Hühnereier eignen sich aus mehreren Gründen besonders gut als Indikator für Umweltbelastungen mit Dioxinen & Co.
→ Das Haushuhn ist weltweit verbreitet. Praktisch überall, wo Fabriken oder Deponien Dioxine, Furane oder chlorierte Biphenyle ausstoßen, werden in der Umgebung Hühner gehalten.
→ Die gesundheitlich bedenklichen Stoffe haften an Bodenpartikeln an und werden vom Huhn aufgenommen, angereichert und gelangen in die Eier. Zudem fressen die Hühner Kleintiere wie Würmer, Asseln, Spinnen und Insekten, die ihrerseits mehr oder weniger große Mengen an Dioxine, Furane und PCB angereichert haben.
→ Die "Proben" können ohne Probleme täglich "entnommen" werden, ohne dass die Hühner geschlachtet werden müssen oder ihnen (wie z. B. dem Menschen) Blut abgenommen werden muss.
→ Hühnereier werden von Menschen verzehrt und bei hoher Belastung mit Umweltgiften stellen sie ein Gesundheitsrisiko dar. Deshalb gibt es Vorgaben, wie viel von diesen Stoffen in den Eiern sein dürfen. Zumindest in entwickelten Staaten gibt es Höchstmengenverordnungen, die Behörden ab einer bestimmten Konzentration zum Handeln zwingen.
Bereits 1996 wird von Messungen in Rheinfelden (Baden-Württemberg) berichtet, die unter anderem von der damaligen Chemischen Landesuntersuchungsanstalt Freiburg (heute CVUA) durchgeführt wurden (Malisch, R. et al. 1996).
Dioxine und Furane
(PCDD und PCDF)
sowie dioxinähnliche PCB (dl-PCB)
Unter "Dioxinen" werden insgesamt 75 Polychlorierte Dibenzo-Dioxine (PCDD) und 135 Polychlorierte Dibenzo-Furane (PCDF) zusammengefaßt. Ähnlich wie die PCB liegen Dioxine immer als Gemische von Einzelverbindungen mit unterschiedlicher Zusammensetzung vor.
Das giftigste "Dioxin" ist das 2,3,7,8-Tetrachlor-Dibenzo-p-Dioxin (2,3,7,8-TCDD), das seit dem Chemieunfall in Seveso im Juli 1976 auch als „Seveso-Dioxin“ bezeichnet wird. Um die toxische Wirkung der insgesamt 210 Dioxin- und Furankongeneren zu beschreiben, wird in der Regel nur die Konzentration von siebzehn Kongeneren analysiert.
Dabei wird so vorgegangen, dass die Konzentration der einzelnen Kongeneren mit einem Faktor multipliziert wird, der die Giftigkeit ausdrückt. "Seveso-Dioxin" wird mit dem sogenannten Toxizitätsfaktor (TEF) 1 multipliziert, andere, als weniger wirksam eingestufte Kongenere mit 0,1 oder auch mit 0,01.
Analog wird mit den dioxinähnlichen PCB (dl-PCB) verfahren.
Informationen finden sich in einer 2014 veröffentlichten Broschüre des
Umweltbundesamtes: Dioxine
und dioxinähnliche PCB in Umwelt und Nahrungsketten.
Da schon lange bekannt ist, dass in der "Kiesgrube" Teningen an der Autobahn Dioxine gefunden worden waren und Furane produktionsbedingt in den von der FRAKO verwendeten technischen Gemischen der Firma BAYER Leverkusen (Clophen A30 und Clophen A40) enthalten sind, haben wir Hühnereier aus der Siedlung nicht nur auf dl-PCB sondern auch auf Dioxine und Furane untersuchen lassen.
Wir ahnten, was wir heute wissen.
In einer Arbeit von DiGangi et al. (2005) wurden diese Stoffe in Eiern aus der Umgebung von Standorten einschlägiger Emittenten wie der FRAKO veröffentlicht. Wir haben diese Werte in einer Grafik anschaulich gemacht und diese mit Daten aus Deutschland (Braunfels-Tiefenbach in Hessen, Rheinfelden sowie Köndringen) ergänzt. Zudem haben wir die vom Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt Freiburg (CVUA 2006) genannte Hintergrundbelastung für PCB von <1,5 pg/g WHO TEQ in die Grafik eingetragen.
Die Grafik zeigt die höchsten PCB-Belastungen der Eier am Standort Köndringen.
Quellen: Joseph DiGangi et al. (2005), IG Tiefenbach (2014), Malisch et al. (1996); CVUA (2006:6)
Das Ergebnis haben wir am 29. Mai 2014 dem Umweltministerium in Stuttgart mitgeteilt. Die WHO-TEQ liegen bei 11,4 pg/g Eifett bei den PCDD/PCDF, bei den dl-PCB wurden 25,0 pg/g gemessen. Der Grenzwert von 5 pg/g ist damit mehr als 6-fach überschritten.
... und auch in unserem Gemüse ?
Nach der Erfahrung mit den Hühnereiern, deren Untersuchung uns sehr viel Geld gekostet hat, sehen wir uns in unserer Forderung bestärkt, dass allen PCB und deren Metaboliten, die Auswirkungen auf unsere Gesundheit haben könnten, nachgegangen wird.
Wir fordern daher:
→ Analyse aller vorkommenden PCB im Grundwasser und im Boden. Dabei darf das Untersuchungsspektrum nicht eng auf die 6 sogenannten "Ballschmiter-PCB" eingeschränkt werden sondern es sind alle PCB zu erfassen, die nach einschlägigen Untersuchungen in den von der FRAKO eingesetzten technischen Produkten (Clophen A30 und A40) enthalten waren, einschließlich aller anderen bisher gefundenen PCB-Kongeneren, insbesondere der 12 dl-PCB, die alle in den untersuchten Hühnereiern enthalten waren.
→ Quantifizierung der Metaboliten (z. B. die hormonartigen Hydroxy-PCB) im Grundwasser und im Boden. Dabei fordern wir insbesondere, dass neben den PCB einschließlich der niederchlorierten Kongenere (z. B. CB 1 und CB 3) in unseren regelmäßig bei Elz-Hochwasser betroffenen Kellern auch PCB-Metaboliten erfaßt werden.
→ Untersuchung der Hühnereier auf die hormonartig wirkenden Metaboliten. Da die Eier unserer Hühner wegen der extrem hohen Belastung nicht mehr verzehrt werden können, haben wir dem Stuttgarter Umweltministerium mit Schreiben vom 28.05.2014 angeboten, die Hühner kurzfristig weiter zu halten und die Eier für Forschungszwecke zur Verfügung zu stellen. Da die Hühner wegen der PCB-Belastung geschlachtet werden müssen, bieten wir deren Schlachtkörper ebenfalls für Forschungszwecke an.
→ Untersuchungen verschiedener Gartenfrüchte und -gemüse auf PCB, PCDD/PCDF. Bereits seit vielen Jahren ist bekannt, dass z. B. Zucchini, aber auch andere Gartenfrüchte diese Stoffe aufnehmen (z. B. Hülster 1994[4], Hennecke et al. 2010[5]).
Neuere Forschungsergebnisse von 2009[6] oder 2011[7] belegen, dass zum Beispiel niederchlorierte PCB bzw. monochlorierte Biphenyle (CB 3) von Pflanzen aufgenommen und metabolisiert werden. Deshalb ist für uns die Untersuchung von unserem Obst und Gemüse auf hormonartige Hydroxy-PCB und weitere Metaboliten, so z. B. Methyl-Sulfon-PCB unabdingbar. Wir stellen den Behörden Gartenfrüchte zu Forschungszwecken zur Verfügung.
Diese Forderungen sind nicht abschließend. Insbesondere ist ein dauerhaftes Monitoring sicherzustellen und der Untersuchungsumfang ist entsprechend der jeweils neuesten Ergebnisse von Wissenschaft und Technik regelmäßig zu aktualisieren.
Zudem fordern wir von eine aktive Umweltinformation durch die Behörden.
Literatur
[1] Malisch, R., Schmid, P., Frommberger, R., Fuerst, P. (1996): Results of a Quality Control Study of Different Analytical Methods for Determination of PCDD/PCDF in Eggs Samples. Chemosphere Vol. 32, No. 1, pp. 31-44.
[2] Joseph DiGangi, Ph.D., Jindřich Petrlík, M.S. (2005): The egg report - Contamination of chicken eggs from 17 countries by dioxins, PCBs and hexachlorobenzene.
[3] Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt Freiburg (2006): Statusbericht zu Dioxinen in Eiern.
[4] Hülster, A. (1994): Transfer von polychlorierten Dibenzo-p-dioxinen und Dibenzofuranen (PCDD/PCDF) aus unterschiedlich stark belasteten Böden in Nahrungs- und Futterpflanzen, Dissertation, Verlag Ulrich E. Grauer, Stuttgart 1994.
[5] Hennecke, D.; Becker, L.; Düring, R.-A. (2010): Expositionsbetrachtung und Beurteilung des Transfers von Dioxinen, dioxinähnlichen PCB und PCB – Literaturstudie im Auftrag des Umweltbundesamtes, UFOPLAN FKZ 3709 72 228, 2010.
[6] Liu, J, Hu, D., Jiang, G. Schnoor, J. L. 2009): In Vivo Biotransformation of 3,3’4,4’-Tetrachlorobiphenyl by Whole Plants-Poplars and Switchgrass. Environmental Science & Technology, 43(19), 7503-7509
[7] Zhai, G., Lehmler, H-J. & Schnoor, J. L. (2011): New hydroxylated metabolites of 4-monochlorobiphenyl in whole poplar plants.Chemistry Central Journal, 5:8
(aw)